Lasst uns das Fair Play überdenken

Lasst uns das Fair Play überdenken
26. Juni 2017 Pietro Tallarico

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Langsam wird es Zeit den Fußball endlich fair zu gestalten. Ein Kommentar.


Fair Play, das kennen wir, sieht in etwa so aus:

Wenn ein Spieler am Boden liegt, schießt die ballführende Mannschaft den Ball ins Aus, um eine Behandlung des Spielers zu ermöglichen. Sobald das Spiel wieder aufgenommen wird, spielt die gegnerische Mannschaft den Ball zurück zum ballführenden Team und es gibt Applaus vom Publikum. Passiert das nicht, wird die gegnerische Mannschaft ausgebuht.

Soweit, so gut. Doch wie sieht Fair Play aus, wenn es wirklich darauf ankommt, sprich in einer Situation, in der jede Sekunde für die eine oder andere Mannschaft zählt oder sogar für ein Team, das nicht mal auf dem Platz steht? Solch eine Situation konnten wir am vergangenen Samstag Abend beim U21-Spiel Italien – Deutschland sehen. Die Ausgangssituation vor dem Spiel war besonders für Titelfavorit Italien prekär, da sie trotz eines Sieges hätten ausscheiden können. Im Falle eines Sieges der tschechischen U21, im parallel laufenden Spiel Tschechien – Dänemark, hätte Italien mit mindestens drei Treffern und zwei Toren Unterschied gewinnen müssen, um noch das Halbfinale zu erreichen. Deutschland hatte hingegen die Möglichkeit, trotz einer Niederlage, als bester Gruppenzweiter ins Halbfinale vorzudringen.

Was war passiert?

Italien ging bereits in der ersten Hälfte in Führung, während Dänemark im anderen Gruppenspiel überraschenderweise 2:1 in Führung lag. Dieses Ergebnis war zum Halbzeitstand für beide Teams tragbar, da man sich so den Halbfinaleinzug sichern konnte. Aber da es noch eine Halbzeit zu spielen gab und im Fußball ein Spiel oft auch schnell gedreht werden kann, war Italien gezwungen, weiter nach vorne zu spielen, während Deutschland keinesfalls das 0:2 hätte kassieren dürfen. Die zweite Halbzeit war dementsprechend wie die erste: Italien war spielbestimmend und stand mehrmals kurz vor dem zweiten Treffer. Wogegen Deutschland sich durch eine gute Leistung des Torhüters Pollersbeck rettete. Nach vorne hingegen war von der Nachwuchsmannschaft wenig zu sehen. Sie beendete das Spiel mit Null Schüssen aufs Tor.

So ging das bis zur 89. Minute und der vierte Schiedsrichter signalisierte drei Minuten Nachspielzeit, woraufhin die Nachricht im Stadion die Runde machte, dass Dänemark in der 91. Minute zum 4:2 Endstand traf. Als nun feststand, dass beiden Mannschaften das Ergebnis zum Weiterkommen reichte, teilte es der Trainer der deutschen U21, Stefan Kuntz, seinem Team mit, wie er nach dem Spiel gegenüber der Sportschau bestätigte. Sein Team spielte daraufhin die Nachspielzeit mit einem hin und her Gespiele in der eigenen Hälfte runter. Die italienische U21 wiederum wartete auf einen Vorstoß des Gegners ohne zu pressen.

Schiedsrichter pfeift nach der dreiminütigen Trainingseinheit ab und Deutschland rettet sich ins Halbfinale als bester Gruppenzweiter des Turniers zu Lasten der Slowakei, die bei einer 0:2 Niederlage Deutschlands weiter gewesen wäre. Die Slowaken, welche zu einem hohen Sieg gezwungen waren, erledigten ihren Job in ihrer Gruppe sehr gut und gewannen das letzte Gruppenspiel zwei Tage vorher gegen Schweden mit 3:0.
Umso bitterer für den Trainerstab, die Spieler und die Fans bangend die letzten Minuten von Italien – Deutschland zu sehen, um dann festzustellen, dass nicht der Schiedsrichter das Spiel beendet hat, sondern die Spieler auf dem Platz.

Die Reaktionen

 

Stefan Kuntz: „Es ist menschlich, dass man das runterspielt.“

 

Der Trainer der Slowaken Pavel Hapal: „Ich bin unglaublich enttäuscht. Was die Deutschen und Italiener gezeigt haben, war eine Schande. Es ist kein Fair Play, auf ein 0:1 zu spielen. So etwas gehört nicht zum Fußball.“

 

Der Premierminister der Slowakei Robert Fico schrieb nun einen offenen Brief an die UEFA, in der er gegen solche Praktiken protestiert.

Wenn wir mal ehrlich sind

Wie man sieht, fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. Was das Ball-ins-Aus-spielen angeht sind sich alle einig: Das ist Fair Play und muss sein. Hingegen wurde das „Zeit runterspielen“ wie in diesem Fall auch von vielen Nutzern in den sozialen Medien, ähnlich wie Stefan Kuntz‘ Aussage, als nicht unfair umschrieben. Jedoch kann man auch nicht von Fairness sprechen.

Wenn wir den Kindern im Sport beibringen, dass das Spielen eines Balls ins Seitenaus Fair Play sei, dann ist das doch nichts anderes, als eine Farce, solange es Trainer gibt, die ihren Spielern signalisieren, es sei in Ordnung „es runterzuspielen“, oder wie man es auch häufig im Profifußball sieht, Spieler, die sich an die Eckfahne mit dem Ball stellen, um das Spiel praktisch zu unterbrechen. Nein, man sollte nicht wie Horst Hrubesch meint: „Die Kirche im Dorf lassen“. Durch solche Maßnahmen werden Spiele absichtlich verkürzt, das bedeutet, wenn es nicht darauf ankommt, dann habe ich die Zeit auf meiner Seite, kommt es jedoch mal tatsächlich darauf an, dann nehme ich mir Zeit, die der Gegner vorher nicht hatte.

Wenn wir ehrlich sind, dann sind solche kleinen Tricks wie das runterspielen oder das spielen an der Eckfahne Wettbewerbsverzerrungen und sollten von den Verbänden geahndet werden. Reicht völlig aus, die Definition in Wikipedia nachzuschlagen für alle, die es nicht verstehen.


Für Interessierte gibt es die komplette Nachspielzeit hier.
 

 

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(beitragsbild: Giacomo Vaiani, CC BY-NC-ND 2.0)
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